Paradoxus 1,1

Als Gott neulich auf die Erde kam und bei Frau Juttas Wurstladen die Vetrine betrachtete, fiel paradoxer Weise ein Lehmtopf voller Erde aus dem dritten Stock und traf ihn mit voller Wucht am Kopf. Dabei verlor er sein allwissendes Gedächtnis und irrte eine Zeit lang unter den Sterblichen umher. Höchst verwundert über die Menschen und deren Glauben verschrieb er sich zuerst verschiedenen okkulten Aberglauben, dann den Agnostizismus und schlussendlich dem Atheismus. Völlig unerwartet wurde er aber wieder von einem fallenden Topf getroffen, erlangte sein Wissen zurück, wunderte sich über das Geschehene und begab sich dann wieder in den Himmel auf seinen wolkigen Thron. Dort erzählte er die Geschichte der kleinen weißen Taube, die meist über seinen Haupt schwebte. Die fragte ihn, wie das wohl geschehen konnte, worauf Gott immer noch verdattert etwas von wegen: „Muss wohl Gottes Wille gewesen sein.“, murmelte. Die Taube hörte auf zu flattern und antwortete bescheiden nachdenklich: „Ja, ja – Gottes Wege sind unergründlich.“ (Wien, Oktober 2008)